Das Jahr 1917
Mit der bangen Frage: Wird das Jahr 1917 uns wohl den Frieden bringen? wünschte man sich Glück zum Neuen Jahr.
Gleich zu Beginn des Jahres hieß es: Wird uns Wilson, der wiedergewählte Präsident von den Vereinigten Staaten Nordamerikas dem Frieden näher bringen? Man vernahm zuversichtliche Worte aus Berlin, die bei einem Gastmahl, bei dem Herren vom Auswärtigen Amt und der amerikanische Botschafter Gerard waren, gewechselt wurden.
Weil unser Friedensangebot so schnöde zurückgewiesen worden war, erklärte Deutschland den verschärften U-Bootkrieg vom 1. Februar an. Auf dies hin bricht Amerika am 4. Februar seine diplomatischen Beziehungen mit uns ab. Dies bedeutet zwar noch nicht den Krieg – ist aber nicht mehr weit davon.
Am 31. Januar war Prüfung der Schüler durch Schulrat Dr. Weber.
Der Geburtstag des Königs (25. Feb.) wird ganz still gefeiert, der König will’s so haben.
Je mehr es dem Frühjahr zugeht, umso mehr kommen Leute aus der Stadt mit Köfferchen, Rucksäcken, Schachteln und ähnlichem, um die Bauern heimzusuchen. Sie fragen nach Brot, Rauchfleisch, Butter, Mehl, Eier usw. Man gibt ihnen den Namen „Hamster“, der nichts weniger als ein Ehrenname ist.
Von dem tiefen Ernst unserer Lage zeigt eine Bekanntmachung des stellvertretenden Generalkommandos, wonach sämtliche Bronzeglocken von über 20 kg Gewicht, also auch die Kirchenglocken, mit Beschlag belegt worden sind. Da hieß es in der Gemeinde: Es wird doch nicht so weit kommen, daß wir unsere Glocken hergeben müssen! Sie sollen lieber vorher Schluß machen!
Die Lebensmittelpreise steigen immer höher. Die Kleiderstoffe sind kaum mehr aufzutreiben. Bringt man Eier oder Butter, dann hat man Aussicht, Stoff zu erhalten.
Mit Beginn des Frühjahrs 1917 begann die Ablieferung der Eier. Die ältesten Mädchen der Oberklasse sammelten sie ein. Für das Stück wurden 25 Pf. bezahlt. Pfarrer Dornfeld übernahm das Geschäft des Eierversands. Diese Maßnahme hat die Hühnerhalter nicht besonders erfreut. Aber sie war eben bitter notwendig. Vom Ausland erhielten die Städter, die Lazarette, die Kranken so gut wie keine Eier herein.
Am 8. März ist Graf Zeppelin in Berlin gestorben.
Anfang März wurde der russische Zar verjagt.
Der Monat März war kalt und feucht und brachte viel und häufig Schnee.
Der Monat April machte einem ordentlich bang. Es schien, als ob sich die Natur mit unseren Feinden verbunden hätte zur Niederringung des deutschen Volkes. Schnee, Regen, Kälte, Sturm behaupteten die Herrschaft vom 1. April bis fast zum Schluß des Monats. Solches Wetter hielt das Wachstum von Wintersaat und Gras und Klee zurück und hinderte die Bauersleute an der Bestellung der Felder mit Sommergetreide und Kartoffeln.
Ende April kamen hierher auch einige Kinder aus Ulm, die bei etlichen Leuten Aufnahme fanden, damit sie ein kräftiges Essen bekommen sollten. Aber sie hielten nicht lange aus. Heimweh nach der Mutter und dem Stadtleben taten das ihre, so daß sie bald wieder zurückkehrten – nicht zum Leidwesen derer, die sie zu verpflegen hatten.
Im Monat April erklärte Amerika uns den Krieg. Manche Leute nahmen dies auf die leichte Schulter, was sich bitter rächte. Wie viele wertvolle Schiffe und sonstige Werte sind uns dadurch verloren gegangen!
Am 10. April begann die große Schlacht bei Arras, am 16. bei Reims, an der Aisne und in der Champagne, die mit ungeheuren Blutopfern den ganzen Monat hindurch fortgeführt wurden. In Berlin aber wußte man in diesen furchtbaren, harten Tagen nichts anders zu tun als zu streiken – und natürlich die Munitionsarbeiter!
Der Krieg griff nun auch mit seiner rauhen und kalten Hand an die Orgelpfeifen aus Zinn.
Am 15. April wurde wieder die „Sommerzeit“, die bis zum 15. September dauerte, eingeführt.
Der 26. April ist der 1000. Kriegstag. Ein trauriger Jubeltag!
Der Mai war ein wirklicher Wonnemonat. Er holte reichlich herein, was der April versäumte. Nach ungefähr 3 – 4 Wochen warmer Sonnenschein konnte man schon Klee holen. Das war eine Freude und große Erleichterung für die Landwirte!
Im Juni war das Wetter zum Einbringen des Heues im Ganzen gut. Die Schüler zogen mit Messer, Scheren und Sicheln bewaffnet und durch Handschuhe geschützt aus, um Brennesseln zu sammeln. Mit reicher Beute kehrten sie zurück.
Von der Behörde wurden die Schüler aufgefordert, barfuß zu gehen, weil das Leder rar und teuer war.
Unruhig ging’s im Juli im Reich und im Feld zu. Am 14. Juli trat Reichskanzler Bethmann-Hollweg zurück; an seine Stelle kam Michaelis. Die Mehrheitsparteien (Sozialdemokratie, Demokratie und Zentrum) brachten vom 19. Juli eine „Friedensresolution“ ein.
Im Osten wurden die Russen aus Galizien vertrieben durch die Deutschen. Am 31. Juli griffen Engländer und Franzosen nach 14-tägigem „Trommelfeuer“ bei Ypern mit riesigen Waffen an. Der Durchbruch gelang nicht. Unerschütterlich fest hielten unsere Truppen stand!
Der August war ein rechter, heißer Erntemonat. Die Getreide- und Öhmdernte ging rasch von statten. Die Kohlweißlinge traten so stark auf und befielen die Kohlpflanzen so stark, daß man sich ihrer Raupen nicht mehr erwehren konnte. Meist blieben nur die Blattrippen übrig.
Das Wetter im September war recht schön. Es gab mehr Kartoffeln als im letzten Jahr. Zur Erwerbung von Kartoffeln brauchte man einen Bezugsschein. Das Leder wurde immer knapper. Man kann kaum mehr die Schuhe sohlen lassen. Wir müssen eben nicht bloß für uns und unser Heer sorgen; wir müssen auch noch die Heere unserer Verbündeten teilweise mit Schuhen und Lederzeug und Kleidern versehen.
Im Oktober machen die Deutschen wackere Fortschritte im Kurland. Auch 2 Feiern fielen in diesen Monat: der Geburtstag Hindenburgs (2. Oktober) und die Reformationsfeier (31. Oktober).
Am 21. Oktober hielt Schulrat Dr. Weber einen Vortrag über „Amerika“ in der „Glocke“. Manche Behauptung des Redners ist durch den Ausgang des Krieges in ein Nichts zerronnen. Anschließend an diesen Vortrag hielt Pfarrer Dornfeld eine Rede über das Leben „Hindenburgs“.
Mit dem 25. Oktober begannen die Kämpfe der Deutschen und Österreicher gegen die Italiener. An diesem beteiligte sich auch ein hiesiger Bürgerssohn, Karl Botzenhardt, Sohn des Ochsenwirts. Die Unseren drangen tief in die Lombardei ein.
(In Italien haben noch gekämpft: Jakob Hummel, Martin Botzenhardt, Christian Bückle und Joh. Georg Bosch von Schechstetten).
Der November bringt uns abermals einen neuen Reichskanzler. Michaelis tritt zurück; an seine Stelle kommt Graf Hertling.
Für die Weihnachtspakete der Frontsoldaten sammeln die Schulmädchen 2 Zentner Dörrobst. Eine schöne Gabe!
Mit dem Dezember naht auch wieder das Weihnachtsfest. „Soll es nochmals einen Winterfeldzug geben?“ So fragte man sich voller Sorge. Unsere in Urlaub kommenden Soldaten sprachen von einem großen „Schwindel“, der von Woche zu Woche ärger wurde. Selbst gutgesinnte, mutige und tapfere Soldaten sprachen in nicht wiederzugebenden Worten von den Zuständen in und hinter der Front. Belehrende und beruhigende Worte hören sie nicht mehr an; die Leute sind furchtbar aufgebracht, verärgert über das, was sie tagtäglich mitansehen müssen.
Klagen über Zuchtlosigkeit der Jugend, Unbotmäßigkeiten gegen ältere Personen mehren sich. Möchte doch das neue Jahr uns einen deutschen Frieden bringen!
Gesammelt und verfertigt wurden allerlei Sachen in diesem Jahr.
Die 6. Kriegsanleihe ergab:
1. Bei Hauptlehrer Hanßum 32400 M
2. Bei Postagent Mayer 71555 M
Die 7. Kriegsanleihe ergab:
1. Bei Hauptlehrer Hanßum 41760 M
2. Bei Postagent Mayer 61895 M
Gefallen sind 1917:
Matthäus Groß (25. März), Johannes Büchele (3. Mai)
Leonhard Preiß (8. Juni), Martin Braun (19. Juni),
Johann Georg Bosch, Schechstetten (22. Okt.), Thomas Schleicher (22. Okt.)